Heute ist in der Tat der 17. Juni, aber genau genommen müsste man „ehemaliger Tag der deutschen Einheit“ schreiben. Denn dieser Feiertag wurde 1990 vom 17. Juni auf den 3. Oktober verlegt.
Es war vor genau einem Jahr, zur Zeit der dOCUMENTA (13). Nun schon zum zweiten mal passierte es, dass ich „dort“ war, zuerst auf der documenta XII vor nunmehr 6 Jahren. Dennoch kommen mir die 100 Tage documenta immer wieder so vor, als seien dies „100 Tage der deutschen Einheit“, vielleicht sogar „100 Tage der Welt-Einheit“. Kaum eine Großveranstaltung, in der so viel Volk in der Stadt unterwegs ist und auf der es dennoch so friedlich zugeht.
Es mag sonst Stress zwischen Spaziergängern und rasenden Radfahrern in der Aue geben, damals war es dort friedlich und rücksichtsvoll. Nur die Gänse zeterten gelegentlich, wenn Passanten ihnen zu nahe kamen. Dennoch waren auch sie zahlreich auf dem Festland vertreten, gleichsam als ob sie die besondere Gelegenheit wahrnehmen wollten, so viele Besucher in ihrem Freiluftmuseum betrachten zu können. Die Kunstwerke interessierten dabei eher am Rande.
Die documenta ist eine Kunstausstellung, doch sie ist zugleich auch Chance und Herausforderung für Nordhessen, für die Nordhessen. 100 Tage lang dürfen wir Sturköppe uns weltmännisch geben, dürfen unsere mehr oder weniger guten Englischkenntnisse hervorkramen und stolz sein, wenn die ausländischen Besucher wohlwollend lächelnd so tun, als ob sie unser hessisches Gebabbel verstehen würden.
Da lästerte ein Besucher bei einem Kunstwerk mit dem Namen „Lebendige Wesen und leblose Dinge, gemacht und nicht gemacht“: „Tjo, so ’ne Baustelle hab ich auch zu Hause“. Ich grinse ihn an und antworte mit Bedauern, „aber die ist nicht Kunst“ ;-)
So wird es nicht verwundern, wenn ich meine These auch mit dem Abstand eines Jahres wieder bestätigt sehe: Die Besucher sind und waren die wahren Kunstwerke auf der documenta.