Die Besucher sind Bestandteil der Kunst

Warum ich Kunstwerke fotografiere, werde ich oft gefragt. Dass mich die Interaktion der Menschen mit der Kunst interessiert, antworte ich. Aber wie bringt man die Interaktion in das Foto, ohne die Menschen befangen zu machen, indem man sie anspricht und bittet, eine Pose einzunehmen?

Dabei ist das gar nicht so schwierig; man spricht sie nicht an. Wenn ich fotografieren gehe, nehme ich mir Zeit. Und witzigerweise braucht es kaum Zeit, um ein gutes Foto zu machen, wenn man sich erst einmal Zeit nimmt. Das klingt paradox? Wir brauchten Jahrhunderte, um zu lernen, dass es keine Jahrhunderte braucht, um zu lernen. (Anij, Star Trek „Insurrection“). Ebensowenig braucht es Stunden für ein gutes Foto, wenn man sich einfach nur Minuten Zeit nimmt. Wie also ist das obige Foto entstanden?

Die Idee war schnell da. Ein Besucher, möglichst männlich und mit wenig Haaren, sollte in die gleiche Richtung blicken wie die drei Büsten im Hintergrund. Wenn man bedenkt, dass eine große Menge an Besuchern täglich die documenta besucht, dann sollte es nicht unmöglich sein, so jemandem zu begegnen. Also habe ich mich an eine Wand gestellt, „Ziel genommen“ und mich nicht mehr bewegt. Die Leute, die gerade jetzt da sind und mich vielleicht bemerkt haben, werden bald nicht mehr da sein, denn sie haben anderes zu tun als mich zu beobachten. Neue Leute werden kommen, und nun wird die natürliche Verhaltensweise wirksam werden: Da ich mich nicht bewege, werde ich kaum noch wahrgenommen. Ich bin kein Feindbild mehr. Ich beobachte also, selbst unbeobachtet. Beide Augen sind geöffnet. Eins schaut durch den Sucher, um den Bildaufbau zu kontrollieren, das andere nimmt die Umgebung wahr. Das erfordert etwas Übung, aber es ist möglich. Und irgendwann kommt die Gelegenheit.

Klick!

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