Nicht umsonst gibt die sprachliche Nähe zwischen „Lehre“ und „Leere“ immer wieder Anlass zu Lästereien, mögen sie im Einzelfall nun berechtigt sein oder nicht. Wenn der „Lehrer“ in Wahrheit ein „Leerer“ ist, also einer, der die Köpfe seiner Schüler leert, statt sie (die Schüler) zu lehren, dann ist da irgend etwas grundlegend schief gelaufen. Nach meiner Einschätzung möchte Rainald Irmscher die Leere der Lehre mit Inhalten füllen. Eine Möglichkeit dazu sind sicher seine Karikaturen, die das tun, was Kunst sowieso tun sollte: Sie regen zum Nachdenken an.
Der Titel der Ausstellung, in deren Rahmen Rainald Irmscher seine Karikaturen präsentiert, entspricht in gewisser Weise auch seiner Einstellung zu dem Bereich „Lehre“, denn „Winning Minds and Hearts“ wäre sicher sein Wunsch gewesen, hätte er ihn seinerzeit als Lehrer verwirklichen können. Und dieser Rahmen wird noch unterstützt durch das Team, das im Rahmen der dOCUMENTA (13) vielen Künstlern eine Fläche gibt, wo sie ihre Arbeiten präsentieren können, das Critical Arts Ensemble (Wikipedia, Website).
Ein Rahmen in einem Rahmen in einem Rahmen, strukturiert, gegliedert, hierarchisch, so wie die Lehre das schon immer gemacht hat. Insofern ist bereits das Umfeld der Präsentation eine Kritik an althergebrachtem, das immer wieder kritiklos wiederholt wird. Kritik, die also bereits wirkt, obwohl man die Kunstwerke selbst noch gar nicht gesehen hat.
Critical Art, kritische Kunst ist nun auch die Art der Präsentation selbst (s. Bild): Bibel-Zitate in Form eines Kreuzes angeordnet und durch eine Szene bildlich untermalt. Es ist immer die gleiche Szene, wieder und wieder, repetitiv, stereotyp, fast wie ein klassischer Lehrer seine Schüler unterrichtet. Und immer die gleichen alten Sprüche wie „das tut mir mehr weh als dir“. Gibt es kein Entkommen?
Wer ist dieser Künstler, der im wahrsten Sinne Gott und die Welt kritisiert? Darf der das? Ich sage „Ja, das muss er sogar!“ Denn wie der Namensraum schon andeutet: Hier geht es nicht um einen religiösen Eiferer, der Anhänger sucht, sondern im Gegenteil um einen Mahner in der Wüste. Mögen seine Worte gehört werden, und — wichtiger noch — verstanden werden.
Ausstellung nur Sonntag, 24. Juni 2012, ab 12 Uhr
Hauptbahnhof Kassel
Geo: N51.32050 E9.48256
Anreise: Fahren Sie am Hauptbahnhof rechts vorbei, bis die Straße nach rechts abknickt. Geradeaus sehen Sie in der Ferne den Schrotthaufen, und genau dahinter (von hier aus kaum sichtbar) steht der Pavillon des Critical Arts Ensembles.