Es war eine schöne Zeit, als wir noch mit einer Gruppe auf Mittelaltermärkten unterwegs waren. Ankommen, Zelt aufbauen und einräumen, eintauchen in eine andere Zeit, eine andere Welt. Ein bisschen Rollenspiel, abschalten vom Alltag.
Vereinzelt tauchten nervige Sackpfeifenspieler auf dem Platz auf. Wir hassten sie, beschimpften sie, verfluchten sie, aber irgendwie gehörten sie auch dazu. Mit stumpfen Schwertern wurden Schaukämpfe ausgefochten, begleitet von markigen Sprüchen, von denen jeder wusste, dass sie zwar ernst klangen, aber keineswegs ernst gemeint waren. Auch das großspurige Gerede im sogenannten „market speech“ war irgendwie nett. Erfunden und nicht historisch verbürgt, aber nett.
Es war eine schöne Zeit, und sie hätte auch weiter andauern können, wenn da nicht diese grenzenlose Egozentrik einzelner gewesen wäre. Mach dies nicht, mach jenes anders, alles musste perfekt im historischen Kontext eingeordnet sein. Das Gewand möglichst selbst genäht (und sei es dadurch auch noch so schlecht), der Stoff wie damals wenn’s geht auch noch selbst gewebt, das Leder selbst gegerbt.
Tu ma die Möhrchen auf’n Tisch, da kommen Touries!
Und das Zelt, vor allem das Zelt. So was kann man doch nicht kaufen! Eine aufblasbare Matratze, wegen „Rücken“, das geht ja gar nicht. Wer kann das heute noch, wer hat die Möglichkeiten und die Zeit? Und wenn irgendwo eine Plastikflasche auf dem Tisch steht wird großes Theater gemacht. Sowas hätte es ja vor 800 Jahren wohl noch nicht gegeben. Absurd genug, dass zwar bei jedem einzelnen auf Details geachtet wurde, man aber kein Problem damit hatte, dass innerhalb eines Lagers mehrere hundert Jahre Zeitunterschied von Früh- bis Spätmittelalter nachgestellt wurde, die sich historisch wohl unmöglich begegnet wären.
Inzwischen sind wir nur noch als Gäste, nicht mehr als Teilnehmer auf Mittelaltermärkten präsent. Einige von uns „gewandet“, andere „in zivil“, aber für Gäste ist beides akzeptabel.
Der Markt im Tierpark Sababurg ist von Beginn an eher einer der kleineren gewesen, doch er hat sich über die Jahre recht ordentlich gehalten. Kein Vergleich zu Freienfels in dessen Größe, keiner zu Ratzeburg in seiner Authentizität. Zwar erscheint das Areal recht weitläufig, aber was man findet, ist doch begrenzt. Die einschlägigen Marktstände sind natürlich vorhanden. Nicht alle sind mittelalterlich, aber letztlich kommt es den meisten Besuchern auf die dogmatische „historical correctness“ auch gar nicht an. Spaß ist angesagt.
Die Stände reihen sich dicht an dicht, Met neben Gewandungen, ab und an etwas zu essen oder auch ein Stand zum Bogenschießen oder Steine klopfen für die Kleinen. Daneben natürlich auch die Option, die entsprechenden Devotionalien käuflich zu erwerben. Umsatz muss schließlich sein, egal ob nun Mittelalter oder Neuzeit. So haben zahlreiche kleine Ritter und Bogenschützen unseren Weg gekreuzt.
Auch die „Feinkost für den Hund“ ist originell und die mitgebrachten Sachen in der Tat für selbigen eine große Leckerei. Ein Stapel Heuballen ist natürlich eine wunderbare Sache zum Klettern und Spielen für die Kinder, während die Erwachsenen sich die Bäuche voll schlagen oder Furunkulus und deren vergeblichen Versuchen, Stimmung unter das Volk zu bringen, lauschen.
Das Heerlager, durch ein Hinweisschild kenntlich gemacht, scheint diesmal kaum jemanden angezogen zu haben, uns ebenfalls nicht. Es sind halt deutlich mehr Besucher als Aktive anwesend, was den Schwerpunkt stark in Richtung 21. Jahrhundert verschiebt. Würde nicht die kernige Stimme des Leadsängers von Furunkulus über den Markt schallen, man könnte glauben, auf einem neuzeitlichen Dorffest zu sein.
Zweimal rauf und runter ein paar Einkäufe gemacht, eine Kartoffelpfanne mit Knoblauchsauce verputzt, und schon geht’s mit der hundertpferdigen Kutsche wieder ab in Richtung Heimat. Für 8 Euro pro Person, die theoretisch auch den weiteren Besuch im Tierpark einschließen würden, darf man nicht viel erwarten. Aber allein wenn ich mir am Gewürzstand den Beutel voll schlagen kann oder eine große Ballonflasche voll gutem Met bekomme, reicht das wieder für ein Jahr ohne Markt. Die Luft ist irgendwie raus.
Ich weiß auch nicht, was mit mir ist. Damals, das war eine andere Zeit. In einer Gruppe macht es einfach mehr Spaß. Abends vor dem Zelt sitzen, das knisternde Lagerfeuer in der Mitte, Met oder Bier trinken. Frisch gegrilltes knabbern und den Klängen aus den anderen Zelten oder den Geschichten der Mitreisenden lauschen, und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen.
Ja, es war schön, so lange es dauerte. Aber vorbei ist vorbei.
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