Das d13-Begleitbuch beschreibt auf Seite 60 noch, wie die ursprüngliche Planung von Guillermo Faivovich und Nicolás Goldberg aussah. Leider konnte es nicht dazu kommen. Dafür kam etwas ganz anderes, überraschendes, das fast so unerwartet war wie ein vom Himmel fallender Meteorit. Und dennoch nicht wirklich überraschend. Die Komponente Mensch hat, vergleichsweise schwach und doch in der Wirkung Himmelsgewalten gleich, zugeschlagen.
Nicht mehr bunt, wie noch vor einigen Tagen in der Lokalpresse zu lesen war, sondern wieder in den Stand des verrosteten Eisenwürfels zurückversetzt ist das Kunstwerk Nr. 57 auf dem Friedrichsplatz. Ein rot-weißes Absperrband sichert es und die Schilder mit der Aufschrift „Vorsicht! Verätzungsgefahr!“ halten allzu neugierige Besucher hoffentlich zurück. Trophäenjäger hätten bei dem Gewicht ohnehin keine Chance, außer sie würden mit schwerem Gerät anrücken, oder mit Unterstützung von Lara Croft. Wundern würde es mich nicht, wo angeblich selbst der Geist (The Importance of Telepathy, Apitchatpong Weerasethakul) schon einen Fuß verloren hat.
Bunt angemaltes Eisen also. Viel Rauch um nichts, möchte man meinen, stellt doch der Block im Grunde nur ein Surrogat für das eigentliche Kunstwerk dar: El Chaco, das etwa 33 – 37 Tonnen (offenbar unterschiedliche Messungen) schwere Meteoritenfragment vom Campo del Cielo in Argentinien. Älter als die Erde soll der Meteorit gewesen sein, der vor mehreren tausend Jahren (die Angaben im WWW und im Katalog schwanken stark) den Norden Argentiniens heimgesucht hat. 800 Tonnen regneten auf das Land nieder, das von den Ureinwohnern „Piguem Nonralta“ genannt wird, „Himmelsfeld“. Von den vielen himmlischen Trümmern ist El Chaco nur ein Teil, allerdings der schwerste. Sein Transport auf den Kasseler Friedrichsplatz wäre schon für sich ein gutes Stück Ingenieurskunst gewesen, wenn es denn dazu gekommen wäre.
Nun ist der Umgang mit Kunst ja immer so eine Sache. Die einen begrüßen die Interaktion der Besucher mit dem Kunstwerk, die anderen halten es für Sachbeschädigung, und dann gibt es sicher auch welche, die den Begriff „Blasphemie“ für angemessen halten. Der polarisierende Charakter der sogenannten „modernen Kunst“ kommt in dieser Aktion wieder einmal sehr gut zum Ausdruck.
Auch die 7000 Basaltbrocken, die für die Verwendung von Joseph Beuys‘ Projekt „7000 Eichen“ vor 30 Jahren zeitweilig nur wenige Meter nebenan gelagert wurden, erlitten eines Tages ein ähnliches Schicksal: Sie wurden mit Leuchtfarbe angesprüht, grün und rosa, soweit ich mich erinnere. Nun besteht sicher auf den ersten Blick weder bei Basaltbrocken noch bei einem rohen Eisenblock ein gravierendes Problem (außer dem Gewicht). Es ist die ideelle Seite, die hier besonders hervorzuheben ist. Darüber kann man trefflich streiten. Aber was wäre gewesen, wenn dies mit dem eigentlich vorgesehenen Stück passiert wäre?