Die Besucher sind Bestandteil der Kunst (2)

Eine Familie posiert in einem leeren Raum (Ryan Gander: The Invisible Pull) im Fridericianum, wo laut Katalog „das Herz der documenta schlagen soll“.

Je mehr ich mich mit der documenta beschäftige, um so mehr sehe ich mich in der Ansicht bestätigt, dass erst die Besucher die Kunstwerke vollenden, und zwar immer genau dann, wenn sie mit den Werken interagieren. Das bedeutet natürlich auch, dass jedes Kunstwerk immer nur in einem bestimmten Augenblick eine Aussage hat. Schon der nächste Besucher gibt dem Werk vielleicht eine völlig andere Aussage, und auch wenn gar kein Besucher in der Nähe ist, „wirkt“ es irgendwie, aber eben anders.

Auf Joseph Beuys (1921 – 1986) geht der Ausspruch zurück, dass jeder Mensch ein Künstler sei. In Situationen wie den gezeigten wird dies mit aller Deutlichkeit klar, auch wenn es den Beteiligten vielleicht gar nicht bewusst ist. Sie beabsichtigen nicht, Künstler zu sein, sie sind es einfach. Vielleicht ist dies die naivste und zugleich ehrlichste Kunstform, abseits von allem Kommerziellen und Beabsichtigten einfach nur „man selbst zu sein“.

Wenn dies die Intention Ryan Ganders war, als er den leeren Raum „gestaltete“, dann ist sie aufgegangen. Denn was wäre eine Kunstausstellung ohne ihre Besucher? Langweilig.

Kommentar verfassen