Winning Hearts and Minds (42)

Das Critical Arts Ensemble (CAE) trat bereits zu Beginn der dOCUMENTA (13) mittels eines Hubschraubers über der Orangerie in Erscheinung. Die für den Fluggast verhältnismäßig teure oder aber sehr günstige Aktion (150 € oder Gewinnlos) zeigte einen quasi privilegierten Blick von oben auf die Masse an Kunst auf dem Boden. Die Diskrepanz zwischen arm und reich im wirklichen Leben wurde so durch den (Über)Blick im Gegensatz zu dem naturgemäß beschränkten Blickfeld auf dem Boden deutlich gemacht.

Auch die documenta selbst bringt diesen Gegensatz in ihrem diesjährigen Konzept zum Ausdruck: Während man viele Kunstwerke ohne Eintrittskarte frei betrachten kann, sind die Innenräume wiederum der privilegierten Besucherschaft überlassen. Denen nämlich, die sich eine Tages- oder gar Dauerkarte (20 €/100 €) leisten können bzw. wollen.

Winning Hearts and Minds

Der teuren und einmaligen Aktion mit dem Hubschrauber steht die Dauerausstellung Winning Hearts and Minds mit täglich wechselnden Künstlern im Pavillon Nr. 42 entgegen, die man ohne Eintrittskarte besuchen kann. Hinter dem Zollhaus am alten Hauptbahnhof und direkt hinter dem „Schrotthaufen“ (#61, Momentary Monument IV von Lara Favaretto) geben sich Künstler und Besucher quasi täglich auf’s Neue die Klinke in die Hand. Auch hier wieder die Gegensätze: Der jeden Tag gleich aussehende Schrotthaufen gegen die vergleichsweise hektische Betriebsamkeit am und im benachbarten Pavillon. Dennoch der Gegensatz im Gegensatz: Nur um die Mittagsstunde von 12 bis 13 Uhr steht der Pavillon den Künstlern zur Verfügung. Und da ist er wieder, der Unterschied zwischen theoretischer und tatsächlicher Verfügbarkeit, ganz wie im richtigen Leben.

Trotz der für manchen Besucher unbegreiflichen Einschränkungen gibt das CAE „kleineren Künstlern“ die Gelegenheit, ihre Werke im Rahmen einer großen Kunstausstellung zu präsentieren. Künstlern, die selbst wohl niemals zur documenta eingeladen würden, bekommen so möglicherweise die Chance ihres Lebens. Dies war zumindest die Ansicht eines Künstlers, der selbst im August diese Chance wahrnehmen wird und heute die Ausstellung „Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit“ von Rainald Irmscher besuchte.

Zu Beginn der kurzen Veranstaltung sprach der Künstler selbst einige einleitende Worte und wies auf verschiedene Bilder besonders hin. Das als Aufmacher platzierte Kreuz mit durchaus im kritischen Kontext zu sehenden Bibelzitaten dürfte wohl so manchen Besucher neugierig gemacht haben. Ebenso fühlten sich aber auch einige davon abgestoßen. So konnte ich eine Frau beobachten, in der nach anfänglichem Interesse binnen Sekunden die Ablehnung wuchs und die dann schnellen Schrittes auf Abstand ging, um sich aus sicherer Entfernung dann doch nochmal umzudrehen und weiterhin abfällig zu schauen. Kunst polarisiert, das ist fast nicht zu vermeiden.

Nach 13 Uhr, als der Pavillon geräumt werden musste, sollten die Bildwände noch eine Weile vor dem Gebäude stehen. Diese Hoffnung wurde jedoch von Wind und Wetter alsbald zunichte gemacht. Im Kleinen erging es dem Kunstwerk dabei wie Ai Weiwei im Großen, dessen Template auf der documenta XII ein ähnliches Schicksal ereilte.

Parken

Besuchern empfehlen wir, auf dem Kulturparkplatz (Geodaten siehe unten) am Hauptbahnhof zu parken und dann in Richtung „Schrotthaufen“ zu laufen. Auf dem Rückweg bietet sich eine Erholung im Cafe an, ebenso wie der Besuch diverser weiterer Ausstellungen, für die dann allerdings eine Eintrittskarte benötigt wird. Und da ist er wieder, der Gegensatz.

Geo:

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