Dieser Artikel stammt vom Spätsommer 2007.
Text: Der Sehfahrer
Fotos: Dr. Uwe Rettberg und Der Sehfahrer
„Der Nebel steigt, es fällt das Laub, schenk ein den Wein, den holden! Wir wollen uns den grauen Tag vergolden, ja vergolden!“ Einiges an diesem Morgen erinnert an Theodor Storms „Oktoberlied“, obwohl es erst Ende August ist, dass wir zu unserer diesjährigen Fotofahrt ins Okertal aufbrechen. Und natürlich geht es auch ganz ohne Wein zu, denn wenn die Hand zittert, sind schwerlich gute Fotos zu machen. So treffen schon um 7 Uhr in der Früh die ersten Fotofreunde am Treffpunkt ein. Nachdem die Gruppe dann beisammen ist, geht es mit 2 Autos auf die Autobahn in Richtung Harz. Hier ist von dem Nebel nichts mehr zu sehen, die Sonne vergoldet uns in der Tat den Tag, denn sie strahlt uns an, als ob sie den ganzen Sommer über fleißig geübt hätte. Nach ereignisloser Fahrt treffen wir dann in Oker die restlichen Teilnehmer.
Zu zwölft starten wir von der Pension Waldhaus an der Straße nach Altenau (205 m ü. NN.). Wegen seiner vielfältigen Gesteinsarten wird dieses Gebiet auch die „Klassische Quadratmeile der Geologie“ genannt. Die anfänglich skeptischen Stimmen ob der leichten Bekleidung einiger Fotofreunde verstummen jedoch schnell, denn obwohl die Sonne durch das dichte Blätterdach nicht so recht durchdringen kann, verhilft doch die Bewegung zu genügend innerer Wärme, die nach außen will. Schnell zieht sich das Feld auseinander und wir unsere Jacken aus. Die ganz eifrigen führen die lange Reihe an, während in den hinteren Rängen schon die Kameraverschlüsse heißlaufen. Denn das Okertal bietet tatsächlich auf Schritt und Tritt Motive ohne Ende, von denen die Fotografen der eigenen Gruppe nicht mal die uninteressantesten sind. So wird mancher Film im Laufe dieses Tages belichtet, und auch die Speicherkarten füllen sich bedenklich. Wohl dem, der von dem einen oder anderen genügend Reserven mitgenommen hatte.
Vor Ort zeigt sich die digitale Technik im Vorteil: Die sofortige Bildkontrolle erlaubt es bei den schwierigen Lichtverhältnissen, doch noch einen Nachschuss mit geänderten Einstellungen zu machen. Denn wo die Sonne durch das Blätterdach durchscheint gibt es helle Flecken, während gleich daneben noch alles im tiefen Schatten versinkt. Solche Naturfotos sind stets eine Herausforderung für Mensch und Technik. Mit dem „schnellen Knipsen“, wie über Digitalfotografen gern gelästert wird, hat das nichts zu tun.
So erreichen die ersten nach einer Viertelstunde die Einmündung des „Düsteren Tales“ bei der dritten Fabrik. Diese wurde, ebenso wie die anderen Fabriken im Tal, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Holzschleiferei erbaut.
Wir bleiben am diesseitigen Ufer der Oker und steigen mit dem Hangwald bergan. Der Weg führt zu einer mit einem Geländer gesicherten Aussichtskanzlei auf die Adlerklippen etwas unterhalb des Weges. Anschließend geht es über Holzstufen und ähnliche Weganlagen durch das Adlerklippen-Hauptmassiv, vorbei an der leider beschädigten Bismarck-Gedenkplatte, danach wieder abwärts zur Fußgängerbrücke über die Oker. Wir kommen zur alten Steinbrücke, auf der wir zu Fuß zur fünften Fabrik gelangen.
An dieser Brücke ist übrigens ein alter Mühlstein mit der Jahreszahl 1575 und dem Monogramm des braunschweigischen Herzogs Julis angebracht, der die Industrie in dem Tal seinerzeit gefördert hat.
Nach der Brücke führt ein Weg hinunter zur Oker, entlang deren Ufer es weiter taleinwärts geht. Bei der Marienwand (diese wird vom Alpenverein als Übungswand genutzt) geht es kurz zur Straße hoch, dann wieder neben dem streckenweise steinigen Bachbett bergan.
Nach der sechsten Fabrik gelangen wir über eine schmale Brücke an das andere Ufer und hinauf zur Dammkrone des Ausgleichsbeckens. Hier muss eine Gruppe von Kajakfahrern ihre Boote aus dem Wasser hieven, um sie unterhalb der Staumauer wieder einsetzen zu können. Die mit leuchtenden Farben gestrichenen Kajaks sind für uns wieder mal ein gefundenes Fressen, uns so hört man weithin das typische Klicken, natürlich mit Teleobjektiv davor (soweit vorhanden oder spontan getauscht). Wir folgen dem Westufer mit einer kurzen Stippvisite auf der „Verlobungsinsel“. Hier werden alte Erinnerungen wach, und einige der Fotofreunde lässt es wieder jung werden. Immer bergan zwischen Felstrümmern durch geht es zum Okersteg unweit des Königreichs Romkerhall, dessen ursprünglicher Bau in das Jahr 1861 zurückgeht. Aus dieser Zeit stammt auch der Geschichte nach die Errichtung des höchsten Wasserfalls im Harz und die Ausrufung Romkerhalls als Königreich durch König Georg V.
Vom Waldhaus bis Romkerhall haben wir etwa 4 km Wegstecke zurückgelegt bei einem Höhenunterschied von 150 m und zusammengenommen bestimmt 2000 Fotos. Im Königreich Romkerhall ist dann auch die erste Rast angesagt, denn danach wird es steil bergan gehen …
Soweit mein Erfahrungsbericht, den ich seinerzeit schrieb und veröffentlichte, auch wenn er nur die erste Hälfte der Wanderung umfasste. Damals hatten wir alle noch Spaß und die Welt schien noch in Ordnung. So lassen wir denn, liebe Fotofreunde, abschließend nochmal Theodor Storm zu Worte kommen:
Die blauen Tage brechen an,
Und ehe sie verfließen,
Wir wollen sie, mein wackrer Freund,
Genießen, ja genießen!
Und der Sehfahrer ergänzt wacker:
Und sollt‘ ich einst, Gott schütze mich,
’nem Fotoclub beitreten,
so mag mich, wer auch immer will,
erschießen, ja erschießen! :-)
Mit Interesse vom Okertal gelesen, erfreut über Stormzitate und, natürlich, ganz besonders über den hinzugefügten „Eigenbau“. R.